Studien zur „Hornhautbearbeitung“

Studien zur „Hornhautbearbeitung“


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Bild: jigsawstocker | www.freepik.com

Hornhaut ist ein unglaublich spannendes Thema, zu dem wir zwar täglich alltagspraktische Erfahrungswerte sammeln, aber aus podologisch-wissenschaftlicher Sicht noch so manche Frage offen ist. Dieser Beitrag gibt einen Ausblick zu den Effekten von Hornhautbearbeitung. Muss eigentlich jede Verhornung entfernt werden, und wie viel sollte man abtragen?

 

Was bringt das Abtragen?

Im Jahr 2008 wurde eine Studie1 durchgeführt, um den Nachweis zu erbringen, dass das Abtragen von schmerzhaften Hornhautschwielen zur Verbesserung der Beschwerden führt und die Patientinnen und Patienten entlastet.

Dazu wurden 80 Patientinnen und Patienten ab 65 Jahren mit schmerzhaften Vorfuß-Schwielen in zwei Gruppen eingeteilt; die eine Gruppe erhielt eine fachgerechte podologische Skalpellbehandlung, bei den anderen wurde mit einem stumpfen Placebo-Skalpell lediglich so getan, als würde Hornhaut entfernt.

Im Anschluss wurden über 6 Wochen hinweg Schmerzen, Vorfuß-Belastung, Gleichgewicht und funktionelles Bewegungsverhalten gemessen.

Das Ergebnis war überraschend: Beide Gruppen unterschieden sich nicht voneinander. In beiden Kohorten waren die Schmerzen sofort nach der Behandlung geringer und nahmen nach 4 Wochen wieder zu, einzelne minimale Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung zwischen den Gruppen wurden als nicht signifikant eingestuft. Alle anderen Parameter (Druckverteilung, Gleichgewicht, Bewegungsverhalten) waren gleich.

Wie konnte es sein, dass der Effekt von "richtiger" Abtragung kaum messbar ist, und eine Oberflächenreizung genauso gut funktioniert? Die Forscher kamen nach dieser Studie jedenfalls zu dem Schluss, dass eine Skalpellbehandlung allein nicht zur Heilung (= Schmerzfreiheit) führt, und eine effiziente Behandlung von Vorfußschwielen durch eine Kombination aus Abtragen und Entlastung erreicht wird.

 

Erneute Untersuchung zum Skalpelldebridement

2020 wurde das Thema erneut aufgegriffen2. Diesmal wurden 300 Personen über 65 Jahre ebenfalls mit schmerzhaften Vorfußschwielen, zufällig in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe erhielt ein komplettes Debridement, während bei Gruppe zwei die Hornhaut eher oberflächlich-partiell abgetragen wurde. Bei der dritten Gruppe wurde wieder die Placebo-Methode angewendet. Schmerzen an der Fußsohle wurden sofort im Anschluss, nach einem und nach 7 Tagen gemessen.

Diesmal fielen die Ergebnisse anders aus: In beiden "echt" behandelten Gruppen waren die Schmerzen geringer, während die Placebogruppe schlechter abschnitt. Eine Überraschung gab es trotzdem: Zwischen dem vollständigen und dem eher oberflächlichen Entfernen war kein Unterschied nachweisbar. Beides funktionierte gut und führte zur Schmerzreduktion.

 

Ausblick

Beide Studien sind gute Beispiele dafür, dass Forschung wirklich überraschende (und manchmal unbequeme) Ergebnisse aufdecken kann.

Hornhautbearbeitung lindert Schmerzen – aber nicht so deutlich, wie wir denken. Die Effekte werden nicht spürbarer, je mehr bzw. professioneller das Debridement erfolgt. Das ist einerseits beruhigend, denn es kommt offenbar nicht so sehr auf die perfekten Skills des Behandelnden an. Andererseits scheint unser Verständnis von "schmerzhafter Verhornung" und dem notwendigen, regelmäßigen Abtragen bis zu einer robust-elastischen Schicht noch nicht ganz richtig zu sein.

So ist weiterhin die Frage nach dem "wie viel" offen. Werden Schmerzen an der Sohle wirklich durch Hornhaut verursacht, oder vor allem durch den Druck auf das Gewebe, wenn der ganze Mensch darüber läuft – egal wie viele Millimeter Keratose dazwischen liegen?

Beide Studien sind wichtig für uns: Je unklarer der Effekt der Hornhautbearbeitung ist, umso spannender sind weitere Untersuchungen. Welchen Effekt hat die Berührung der Haut und die therapeutische Zuwendung? Und wie viel wichtiger sind die ergänzenden Maßnahmen für eine ursächliche Schmerzlinderung, Entlastung und Hautpflege?

 

Quellen

1 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3102944/
2 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32997761/

Unsere Autorin

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Anja Stoffel 
Physiotherapeutin und Podologin B.Sc. und sek. HP 
Fachdozentin und Praxisanleiterin für Berufe im Gesundheitswesen, Karlstein 
www.podovision.de
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