Der natürliche Umgang mit Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung in der Praxis des Fußspezialisten erfordert ein verständnisvolles Einfühlungsvermögen. Dabei sollte der Fußtherapeut übersteigerte Hilfsbereitschaft, eigene Hilflosigkeit oder nicht angebrachtes Mitleid vermeiden. Fußprofis sind oftmals erste Anlaufpartner für Betroffene mit und ohne Behinderung bei Fußbeschwerden oder Fußveränderungen.
Der Fuß spielt bei allen Menschen eine tragende Rolle für eine gut funktionierende Bodenhaftung. Die physiologischen Funktionen des Fußes mit seiner komplexen anatomischen Konstruktion sind im Stand, das Gleichgewicht zu halten und das Gehen zu ermöglichen. Die Verbindung des Fußes über das obere Sprunggelenk mit Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein) beeinflusst die Stellung und Funktionen der Knie-, Hüftgelenke und der Wirbelsäule. Aus funktionellen Störungen des Fußes resultieren häufig pathologische Veränderungen am gesamten Bewegungsapparat wie zum Beispiel Schmerzen infolge von Muskeldysbalancen, Muskelverspannungen, Fehlstellungen an den unteren Extremitäten oder der Wirbelsäule und letztlich Koordinationsstörungen.
Die Gesunderhaltung der Füße von Kindheit an ist entscheidend für die gewünschte Bewältigung des Alltags, um problemlos gehen, laufen, springen, klettern und tanzen zu können. Dies gilt für alle Menschen gleichermaßen, sowohl ohne als auch mit Behinderung. Jedoch benötigen Blinde, Seh-, Hörgeminderte, Taubstumme, Menschen mit anderweitigen Körpereinschränkungen oder anders geistig begabten Fähigkeiten beim Ablauf der Behandlung der Füße ein besonderes Einfühlungsvermögen seitens des Therapeuten. (s. Abb. 1 a und b, Abb. 2 a und b).
Tipps zur Gestaltung der Praxis
Bereits das Aufsuchen der Praxis des Fußprofis kann für Menschen mit körperlicher oder geistiger Einschränkung Probleme bereiten. Für Betroffene mit einem Rollstuhl oder Rollator ist ein barrierefreier Zugang sinnvoll. Treppen, schmale Zugänge und fehlender oder ungenügender Platz für einen abzustellenden Rollstuhl, Rollator, Unterarmgehstützen, Handstock, Orthesen oder Prothesen erschweren den Zugang zur notwendigen Behandlung.
Umgangsregeln und Empathie
Die Basis des Vertrauens sollte durch einen respektvollen Umgang des Fußspezialisten mit Menschen mit Behinderung erfolgen. Wohlbefinden, Motivation und eine gute Compliance des Betroffenen unterstützen den gewünschten Therapieerfolg.
Empfehlungen:
- Der Betroffene kann per Hand begrüßt werden.
- Distanzzonen sollten eingehalten werden.
- Hilfsmittel jeglicher Art sind persönliches Gut des Betroffenen und sind achtsam zu behandeln.
- Ein begleitender Blindenhund sollte nicht ablenken.
- Ein direkter Blickkontakt schwerhöriger oder taubstummer Menschen hat oberste Priorität.
- Entsprechende Mimik oder Gesten, zum Verständnis der bevorstehenden Behandlung an den Füßen, wirken beruhigend.
Die Anamneseerhebung sollte mit Taktgefühl erfolgen, sodass der Betroffene vom Therapeuten keine Neugier verspürt. Anschließend erfolgt eine ausführliche und verständliche Aufklärung vom Fußprofi über bevorstehende Behandlungsschritte. Dabei ist eine sprachlich verständliche und bedachte Kommunikation zu beachten. Diskret und höflich sollten vom Therapeuten vor, bei und nach der Behandlung Hilfeleistungen angeboten werden, wenn der Betroffene es signalisiert. Somit wird das Vertrauensverhältnis zum Fußspezialisten gefestigt, die Motivation und eine gute Compliance erreicht. Demonstrative Hilfe bewirkt Hilflosigkeit und ist demzufolge abzulehnen. Menschen mit Behinderung schätzen ihre möglichen Fähigkeiten selbst am besten ein. Eine entspannte Atmosphäre während der Behandlung wird auf Wunsch des Betroffenen oftmals zusätzlich durch leise meditative Musik erreicht.
Fußtherapeutische Arbeitsschritte
Unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen und bekannten Hygienebestimmungen (Desinfektions-, Sterilisationsmaßnahmen, Einhaltung der Richtlinien im Hygieneplan) ändern sich die detaillierten Arbeitsschritte einer podologischen Behandlung bei Menschen mit Behinderung grundsätzlich nicht. Allerdings können der oftmals intensivere Aufklärungsbedarf oder die bestehenden körperlichen Einschränkungen den Zeitablauf etwas verändern. Menschen mit körperlicher Einschränkung benötigen oftmals eine entsprechende und angepasste Lagerung der Füße. Für den Betroffenen darf diese aber nicht unangenehm sein oder gegebenenfalls zu Schmerzen führen.
Des Weiteren ist zu beachten, dass es bei bestehenden zerebralen Bewegungsstörungen zu nicht beeinflussbaren spontanen Bewegungen kommen kann, da das Bewegungsspiel zwischen Anspannung und Entspannung gestört ist. Die Entfernung von Hyperkeratose, Callositas oder Clavi mittels Fräser oder Skalpell erfordert demzufolge seitens des Fußspezialisten besondere Vorsicht, um Verletzungen zu vermeiden.
Blinde Menschen benötigen während der gesamten Behandlung der Füße eine explizite Aufklärung über einzelne Arbeitsschritte am Fuß, um beim Ansetzten der Instrumente ein ängstliches Verhalten und/oder ein schreckhaftes Zurückziehen des Fußes, das zu Verletzungen führen kann, zu vermeiden. Nach Beendigung der Behandlung ist manchmal ein Druckschutz (z.B. GEHWOL Druckschutz G aus Polymergel) sinnvoll.
Tipps zur häuslichen Fußpflege
Im gesamten Therapieplan sind Tipps zur häuslichen Fußpflege für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung wichtig. Zur Entfernung von Hyperkeratose oder Callositas kommen ein Bimsstein oder ein Hornhautschwamm für den Betroffenen oder bei Problemen durch eine Hilfsperson in Betracht. Für die Nagelkürzung sind Sandblatt- oder Diamantfeile ratsam. Die Verwendung scharfer oder spitzer Instrumente wie zum Beispiel Scheren, grobe Feilen, Hobel, Knipser oder Rasierklingen ist wegen drohender Verletzungsgefahr strikt abzulehnen. Nach einem täglichen Fußbad erfolgt sorgfältiges Abtrocknen der Füße, besonders auch interdigital (Zehenzwischenräume). Zur anschließenden Hautpflege werden fetthaltige Salben oder Cremes, besonders bei trockener Haut mit Urea-Zusatz (Harnstoff), verwendet.
Eine neuartige Alternative vor allem für Menschen mit sehr trockener, barrieregestörter und geschädigter Haut, jedoch gleichzeitig verminderter Toleranz für fettende Emulsionen setzt auf Lecithin als Leitwirkstoff (Neu seit März: GEHWOL FUSSKRAFT Repair Creme). Dank seiner besonderen liposomalen Struktur (Bi-Layer-Struktur) verbindet sich nach dem Auftragen das Lecithin umgehend mit den Lipiden der Hautbarriere und gleicht dort Lipid-Lücken aus. Da Lecithin mit seiner Bi-Layer-Struktur zugleich den weiteren Inhaltsstoffen der Creme (Vitamine, Öle, Moisturizer) als Träger-Vehikel dient, werden die nährenden und pflegenden Substanzen der Emulsion sofort tiefenwirksam in die Haut eingebracht. Auf diese Weise entsteht ein starker rückfettender Pflegeeffekt, jedoch ohne störendes Fettgefühl auf der Haut – eine galenische Weiterentwicklung der klassischen Salbe. Eine gute Alternative für Menschen mit Bewegungseinschränkung, die beispielsweise nicht mehr in der Lage sind, eine Creme selbst in den Fuß einzumassieren, sind Wirkstoff-Aerosole. Sprays haben den Vorteil, dass sie Pflegestoffe wie Urea oder Panthenol (z.B. GEHWOL FUSSKRAFT Kräuter Spray mit zusätzlich Bergkiefer, Rosmarin und Lavendel) aus der Distanz auf die Haut aufbringen.
Abschließend sollte ein wichtiger Leitsatz für alle im Behandlungsteam zum Nachdenken anregen:
„Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder anders geistig begabten Fähigkeiten können vieles, was Menschen ohne Behinderung oftmals nicht vermuten“.
Als langjährig operativ tätige Orthopädin auf einer Kinderstation durfte ich diese beeindruckenden Fähigkeiten erleben, worüber ich sehr dankbar bin.