Kostenloses Praktikum oder Ausbildungsvergütung – welche Modelle gibt es?


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Die Ausbildung zum Podologen beinhaltet verschiedene Praxisphasen, die die derzeit rund 35 Berufsfachschulen unterschiedlich organisieren, aber im Wesentlichen drei verschiedene Kategorien betreffen:

  • Den fachpraktischen Unterricht innerhalb des schulischen Unterrichts (also beispielsweise grundlegende Techniken der Fußbehandlung, Skalpelltechnik, Tamponieren oder Spangen biegen),
  • das klinische oder ärztliche Praktikum in verschiedenen Fachbereichen, das vornehmlich als Hospitation erfolgt, um Einblick in angrenzende Disziplinen zu bekommen, und
  • die praktische Ausbildung, also die realistische Praxisarbeit mit Probanden oder Patienten, die in der Lehrpraxis der Schule und/oder in externen Kooperationsbetrieben stattfindet und auf den Praxisalltag vorbereiten soll.

In diesem Beitrag geht es um die Möglichkeiten, wie ein vergütetes Praktikum im Kooperationsbetrieb gestaltet werden kann.

 

Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben

Mindestens drei Regelwerke bestimmen die praktische Ausbildung, die Vorgaben zu einer möglichen Vergütung und weiteren Verpflichtungen beinhalten:

  • Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
  • Kooperationsvertrag zwischen Schule und Betrieb
  • GKV-Rahmenvertrag zwischen Praxis und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen

Bei einem Beschäftigungsverhältnis kommt noch der individuelle Arbeitsvertrag dazu.

Übergeordnet regelt die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung mit ihrer Anlage 1 die praktische Ausbildung. 1 Sie bleibt recht vage, und legt nur einen Mindest-Stundenanteil der klinischen Phase fest, da alles Weitere die Länder ausgestalten (z. B. die Wertung der Praktikumsstunde im Sinne einer Zeitstunde oder einer 45 Minuten-Unterrichtseinheit, was tatsächlich nicht einheitlich ist).

Ein sehr wichtiger Fakt wird nicht explizit erwähnt. Dieser ergibt sich aber aus der Eingliederung in schulische Ausbildungsberufe (im Gegensatz zur klassischen betrieblichen Ausbildung) mit einem Pflicht-Praktikum als Bestandteil der Ausbildung: Es ist keine Vergütung, keine Aufwandsentschädigung und auch kein Mindestlohn vorgesehen, denn es besteht kein Beschäftigungsverhältnis.

Die im Lehrplan vorgeschriebenen Schulpraktika begründen keine Sozialversicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, da es sich nicht um eine Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV handelt. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind diese Schülerpraktikantinnen und Schülerpraktikanten über die Schülerunfallversicherung kraft Gesetzes versichert, § 2 Abs.1 Nr. 8 lit. b) Sozialgesetzbuch (SGB) Siebtes Buch (SGB VII). 2

Das bedeutet, eine Vergütung ist keine Pflicht – aber sie ist auch nicht verboten. Wird eine Vergütung gezahlt, wandelt sich die innerbetriebliche Einordnung zu einem Beschäftigungsverhältnis mit den ganz regulären Rechten und Pflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Anerkennung der unter diesen Bedingungen erbrachten Stunden als „Praktikum“ ist davon unbenommen. Für das Erreichen des Ausbildungsziels ist der Erwerb der Kenntnisse in der vorgeschriebenen Zeit ausschlaggebend.

Provokant formuliert, hat also der Praxisinhaber das Recht festzulegen, welche Stunden er oder sie als Praktikum anerkennen möchte und auf dem Stundenzettel abzeichnet, und ab welcher Behandlungsqualität die Leistung Geld wert ist. In der Realität regelt aber natürlich auch der Markt das Geschehen. Partizipativ arbeitende Betriebe haben mehr Bewerbungen und binden Mitarbeiter über die Ausbildung hinaus.

Im individuellen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Betrieb werden die Pflichten der Praxisanleitung, Stundenanzahl, Kontaktregelungen, Ausfall und Krankheit, mögliche Beurteilungen und Besuche und auch Kündigungsmodalitäten geregelt.

Wird das Praktikum in einer Praxis mit Kassenzulassung absolviert, regelt der GKV-Rahmenvertrag die Rechte und Pflichten im Umgang mit der Patientensicherheit. Da Auszubildende auch in die GKV-Behandlung eingebunden sind und ab dem ersten Tag Risikopatientinnen und -Patienten behandeln dürfen, wurden einige Punkte formuliert, um die Behandlungsqualität zu garantieren. 3

 

Vergütung im Praktikum

Grundsätzlich gilt: Jede Form der finanziellen Entschädigung ist eine gesonderte Nebenabrede zwischen der Praktikantin/dem Praktikanten und der Praxis. Die fachlich-inhaltlichen Belange des Kooperationsvertrags bleiben unberührt, ebenso die Pflichten aus dem GKV-Vertrag.

Was ändert sich? Die Versicherungspflicht liegt für die bezahlten Arbeitsstunden beim Arbeitgeber, nicht mehr bei der Schule, da Auszubildende mit einer Vergütung zu Mitarbeitern werden und so den Status wechseln. Mitarbeiter können zudem anders in die betriebliche Pflicht genommen werden, was beispielsweise Urlaubs-, Arbeits- und Ferienzeiten angeht.

 

Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag?

Wenn ein Vertrag als „Ausbildungsvertrag“ geschlossen wird, so ist seine Gültigkeit nicht nur auf die Person begrenzt, sondern bezieht zusätzlich noch die laufende Ausbildung mit ein. Das hat den Vorteil, dass z. B. mit einem vorzeitigen Beenden der Ausbildung (etwa Ausbildungsabbruch aus privaten Gründen) auch der Vertrag enden kann. Das ist in einer Podologiepraxis, in der Kassen-Patienten behandelt werden, ein wichtiges Entscheidungskriterium, da diese Kassen-Patienten von Schülerinnen und Schülern nur während der Ausbildungszeit behandelt werden dürfen. Zudem können ausbildungsbezogene Kosten über die Praxis abgesetzt werden. In Bundesländern mit Schulgeldpflicht oder auch für Materialien kann das ein Bonus sein.

Andererseits ist es für Praxisinhaber nicht so einfach möglich, den Vertrag zu kündigen. Eine einfache Kündigung ist nicht schön, kann für einen Kleinstbetrieb aber mitunter (lebens-)wichtig sein. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Ausbildungs- von Arbeitsverträgen: Ein Ausbildungsvertrag ist schwieriger aufzulösen, da hier ein wichtiger personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Grund benannt werden muss, der die Kündigung begründet. Im Gegensatz dazu können Arbeitsverträge in Kleinstbetrieben bis zu 10 Mitarbeitern ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden, hierbei müssen nur die gesetzlich vorgegebenen Fristen und Formen beachtet werden.

Da sich im Vertragsrecht regelmäßig Anpassungen ergeben, ist eine Beratung mit dem Praxisjuristen oder Steuerberater vor jedem Vertragsschluss dringend zu empfehlen.

 

Weiterführende Gedanken

Die Möglichkeiten, sich innerhalb der Ausbildungszeit schon als Mitarbeiter zu profilieren und in ein Team einzufügen, ist für beide Seiten begrüßenswert. Gerade weil Podologiepraxen händeringend Mitarbeiter suchen, und auch weil die Ausbildung noch keine Ausbildungsvergütung vorsieht, sind hier viele Lösungen möglich.

Trotzdem birgt diese Chance auch Gefahren: wenn die Entwicklungsphase innerhalb der Ausbildung auf eine reine Arbeitsleistung heruntergebrochen wird, fehlt Spielraum für die Anleitung und für das Ausprobieren sowie für Fehler. Auch der oft sehr spontane Zeitbedarf für die klinischen Praktika und die Examensvorbereitung ist für einen Arbeitgeber eine Herausforderung. Diese Flexibilität sollte im besten Fall in einer möglichen Vergütung mit einkalkuliert werden.

 

Quellen:

  1. https://www.gesetze-im-internet.de/podaprv/anlage_1.html
  2. https://www.bundestag.de/resource/blob/409968/8ed7f5c93e2774a539b805d87f918981/WD-6-006-15-pdf-data.pdf
  3. https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_leistungen/heilmittel/
    vertraege_125abs1/podologie/20230619_Heilmittel_Vertrag_nach_125_Podologie_Stand_19.06.2023_Lesefassung.pdf
    ab Seite 7

Unsere Autorin

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Anja Stoffel 
Physiotherapeutin und Podologin B.Sc. und sek. HP 
Fachdozentin und Praxisanleiterin für Berufe im Gesundheitswesen, Karlstein 
www.podovision.de
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