Das Blue-toe-Phänomen


Das Blue-toe-Phänomen

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Eine plötzlich oft schmerzhafte Blauverfärbung, sogenanntes Blue-toe-Phänomen, weist auf eine akrale (distale Teile des Körpers) Durchblutungsstörung der Finger und Zehen hin. Zugrunde liegen verschiedene Grundkrankheiten.

 

Ursachen eines Blue-toe-Syndroms

Plötzliches Auftreten blauer Zehen oder Finger deutet auf einen Verschluss sowohl der plantaren als auch der dorsalen Digitalarterien (Arterien der Finger oder/und Zehen) hin. Liegt nur ein Verschluss entweder der plantaren oder der dorsalen Arterie vor, bleibt es meistens folgenlos. Auslöser eines akuten Verschlusses von Zehen- oder Fingerarterien sind vor allem Mikroembolien. Dabei lösen sich proximal gelegene Gefäßplaques (Platten) von der Gefäßwand. Des Weiteren kann eine Lösung durch diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, zum Beispiel durch einen Katheter, erfolgen. Ebenso kommen Thromben (Blutgerinnsel) oder Cholesterinkristalle ursächlich infrage. Weitere Auslöser können pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) besonders bei Diabetes mellitus (Abb. 1)., Tumore oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen sein.

 

Klinische Symptomatik

Oftmals tritt plötzlich eine schmerzhafte Blauverfärbung eines oder mehrerer Zehen ohne vorausgehende Symptome auf. Aufgrund des Kollateralkreislaufs (Umgehungskreislauf) weist die bläuliche Verfärbung manchmal eine geringe rückläufige Tendenz auf. Lästige Symptome begleiten den Krankheitsverlauf wie zum Beispiel extremes Kältegefühl und Parästhesien (Missempfindungen) wie pelziges, taubes, brennendes, stechendes und kribbelndes Gefühl, wodurch der Nachtschlaf erheblich gestört ist. Liegt die Arterienstenose höher, sind die peripheren Pulse meistens abgeschwächt. Schwere Folgen betreffen eine sich entwickelnde Zehenkuppennekrose (sogenannter Zelltod).

 

Diagnostik

Serologische Werte (Blutwerte) liegen beim Blue-toe Syndrom meistens im Normbereich. Mithilfe einer Oszillografie (graphische Darstellung zum Nachweis peripherer arterieller Durchblutungsstörungen) sind bei Verschluss beider Arterien eines Zehs mit einhergehenden Schmerzen, Veränderungen im Sinne einer peripheren Durchblutungsstörung, sichtbar. Bei Verschluss nur einer Arterie zeigt die Kurve im Oszillogramm einen normalen (physiologischen) Befund. Des Weiteren dient die Kapillarmikroskopie zur Diagnostik von Mikrozirkulationsstörungen oberflächlicher Kapillaren. Der Kapillarpuls unter dem Nagel wird sichtbar beim Aufpressen mit einem Objektträger auf den Nagel (sog. Nagelpuls).

 

Mithilfe einer Angiografie (röntgenologische Darstellung der Blutgefäße mit Kontrastmittel) der Arteria femoralis (Schenkelarterie) kann ein arterieller Verschluss der Digitalarterien beim Blue-toe-Syndrom abgeklärt werden. Häufig liegen dann Plaques (plattenartige Ablagerungen) vor. Die Duplexsonografie kommt vor allem zur Diagnostik bei arteriellen Stenosen (Verengungen) höher gelegener Arterien in Betracht. Begleitsymptome sind dabei abgeschwächte periphere Pulse.

 

Grundkrankheiten mit möglichem Blue-toe-Phänomen

Differentialdiagnostisch kommt eine Vielzahl von Erkrankungen in Betracht.

 

Raynaud-Syndrom
Hierbei kommt es besonders am II. – V. Finger oder Zeh aufgrund einer arteriellen Vasokonstriktion (arterieller Gefäßkrampf) zur anfallsartigen Ischämie (Verminderung oder Unterbrechung der Durchblutung). Exogene Auslöser bei der primären Form sind Kälteeinfluss und Stress (Abb. 2). Ein sekundäres Raynaud-Syndrom kann bei verschiedenen Grundkrankheiten auftreten wie zum Beispiel bei Arteriosklerose, Sklerodermie (entzündliche Erkrankung des Bindegewebes mit zunehmender Verhärtung der Haut und gegebenenfalls der Organe), Vibrationstraumen, Thrombangitis obliterans (schwere Minderdurchblutung peripherer Gefäße). Zunächst erscheinen die betroffenen Finger und/oder Zehen blass und in der Folge blau (zyanotisch). Letztlich können sich eine Nekrose (Zelltod) und später eine Gangrän (Brand) entwickeln.

 

Therapeutisch kommen vasodilatierende (gefäßerweiternde) Mittel wie zum Beispiel Nifedipin in Betracht. Kälteeinwirkung und Nikotinverbrauch sollten unbedingt vermieden werden.

 

Thrombose und Embolie
Weiterhin kann eine venöse oder arterielle Thrombose (Blutpfropf) oder Embolie (losgelöster verschleppter Thrombus in die Blutbahn) u. a. zur akralen Durchblutungsstörung mit Blauverfärbung der Zehen und/oder Finger führen. Zur Vorbeugung nach Operationen, Traumen (Verletzungen), Immobilisierung oder chronisch venöser Insuffizienz (ungenügende Leistung oder Schwäche der Venen) sind Antikoagulantien (Blut verdünnende Mittel), frühe Mobilisation, Atemgymnastik und Kompressionsstrümpfe hilfreich. Alternativ kommt die operative Entfernung eines arteriellen Embolus in Betracht.

 

Thromangitis obliterans
Es handelt sich um eine akute Vaskulitis (schubweise verlaufende entzündliche Reaktion der Gefäßwände von Venen oder Arterien, besonders der peripheren Gefäße) mit daraus resultierenden Nekrosen (Gewebstod) der Gefäßwände. Angenommen wird eine autoimmune Entstehung, die vor allem durch einen hohen Verbrauch von Nikotin ausgelöst wird. Ein Verzicht auf Nikotin ist notwendig. Medikamentös kommen durchblutungsfördernde Mittel zum Einsatz.

 

Kollagenosen
Ursächlich liegt eine systemische entzündliche Autoimmunkrankheit des Bindegewebes und Zwischengewebes bei speziellen Erkrankungen zugrunde wie zum Beispiel bei Sklerodermie (Abb. 3 a und b), Dermatomyositis (Muskelentzündung unter Einschluss der Haut), Polymyositis (Entzündungen mehrerer Muskeln) oder chronischer Lupus erythematodes (Autoimmunkrankheit der Haut und Organe) (Abb. 4 a und b).

 

Syphilis (Lues)
Die Geschlechtserkrankung mit plötzlich auftretenden Schmerzen und Zyanose (Blauverfärbung) der Zehen ist meldepflichtig und wird in der Regel mit Penicillin behandelt.

 

Perniones (Frostbeulen)
Ursache ist ein chronischer Kälteschaden an den Akren (distale Teile des Körpers wie Finger, Zehen, Hände, Füße, Kinn, Nase, Wangen oder Augenbraue). Dabei treten runde, livide (bläuliche) und teigige Schwellungen häufig mit brennenden Schmerzen und Juckreiz auf. Im Zentrum können eine Hämorrhagie (Blutung), Bullae (Blasen), Ulkus (Geschwür) und letztlich Nekrosen auftreten. Perniones weisen meistens eine Akrozyanose im Sinne eines Blue-toe-Syndroms auf. Therapieempfehlungen betreffen die Einhaltung eines sorgfältigen Kälteschutzes, lokale Anwendung von Thiobitumsalbe, Vermeidung von extremem und abruptem Temperaturwechsel und gefäßerweiternde Mittel wie zum Beispiel Nifedipin.

 

Tipps für Fußspezialisten

Umgehend sollte die Abklärung der zugrundeliegenden Erkrankung und einzuleitenden Therapie durch den Arzt erfolgen. Erst dann sollte der Fußspezialist durchblutungsfördernde Maßnahmen wie zum Beispiel häusliche Fußgymnastik, Fußbäder mit Zusätzen und Fußmassagen empfehlen. Zu beachten ist, dass Betroffene mit Diabetes mellitus sowie mit einer peripheren Polyneuropathie (periphere Nervenstörung) Fußbäder bei intakter Haut nur bei 36 bis 38 Grad Celsius und einer Dauer von 3 bis maximal 5 Minuten durchführen sollten. Vorher erfolgt immer eine Temperaturkontrolle mit einem Badethermometer, um Verbrennungen mit massiven Folgen zu vermeiden. Ebenso spielt passendes Schuhwerk aus atmungsaktivem Leder eine wichtige Rolle. Durchblutungsfördernd wirken beispielsweise ätherisches Rosmarinöl und Kampfer (z.B. in GEHWOL FUSSKRAFT Wärme Creme, GEHWOL FUSSKRAFT Intensiv Creme, GEHWOL FUSSKRAFT Kräuterbad)

 

Fallbericht

Abb-1

Abb. 1
68-jähriger Mann mit Diabetes mellitus Typ II, pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) und Blue-toe Phänomen an den Zehen.

Abb2

Abb. 2
Bei 64-jähriger Frau mit Morbus Raynaud erscheint der III. und IV. Finger der linken Hand weißlich verfärbt. Temporär besteht ein Blue-toe Phänomen.

Abb3
Abb3b

Abb. 3a und b
Blue-toe Phänomen bei einer 38-jährigen Frau mit progressiver Sklerodermie. Typisch sind livide (bläuliche Verfärbungen) der Akren des II. bis V. Fingers beiderseits mit wachsartiger Haut und Hautdefekten an den Händen.

Abb4
Abb4b

Abb. 4a und b
Ursächlich liegt bei dem 66-jährigen Mann eine Kollagenose mit begleitendem beiderseitigem Blue-toe-Phänomen, aufgrund einer akralen Durchblutungsstörung an den Zehen vor.

Unsere Autorin

MR-2

Dr. med. Renate Wolansky
Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Naumburg