Einstufung-Medizinprodukte

Einstufung-Medizinprodukte

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Bild: GEHWOL TECH

Medizinprodukte unterliegen einem stark regulierten Markt mit hohen gesetzlichen Anforderungen zum Schutz der Patienten. Dazu gehört auch die Pflicht, nur Medizinprodukte zu verwenden, wenn eine heilkundliche Behandlung durchgeführt werden soll.

 

Die Definition des Medizinprodukts

Medizinprodukte erfüllen grundsätzlich eine medizinische Zweckbestimmung, die beim Einsatz am Patienten erfüllt werden soll. Die Definition in Art. 2 der Medical Device Regulation (MDR)1 ist sehr umfangreich und das Feld der Medizinprodukte daher riesig. Einen Überblick über die möglichen Zweckbestimmungen von Medizinprodukten können Sie sich in der folgenden Tabelle verschaffen:

Abb1

Ergänzend fallen auch alle Produkte zur Reinigung, Desinfektion und Sterilisation anderer Medizinprodukte unter die Definition (z. B. Sterilisator, Ultraschallbad etc.).

Möchte ein Hersteller ein Medizinprodukt auf den Markt bringen, muss er – abhängig vom Risikopotenzial des Produkts – zuvor zahlreiche Nachweise erbringen, insbesondere zu Leistung und Sicherheit. Kommt es trotz dieser Bemühungen zu einer design- oder produktbedingten Fehlfunktion, so haftet der Hersteller hierfür.

 

Pflicht zur Verwendung von Medizinprodukten

Grundsätzlich müssen von Therapeuten, die mit Hilfsmitteln einen der o. g. Zwecke erfüllen möchten, hierfür Medizinprodukte verwendet werden. Dies betrifft den podologischen bzw. medizinischen Bereich; also sogenannte Gesundheitseinrichtungen, deren Betreiber unter das Podologengesetz (PodG) fallen. Die Pflicht leitet sich ab aus dem Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG):

„Es ist verboten, ein Produkt [...] zu betreiben oder anzuwenden, wenn [...] der begründete Verdacht besteht, dass das Produkt […] die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter […] gefährdet [...].“ – § 12 (1) MPDG.

Da bei Nicht-Medizinprodukten die zuvor genannten Untersuchungen des Herstellers zur Sicherheit und Leistung nicht erbracht wurden, ist die Benutzung in der Podologie daher nicht möglich. Hinzu kommt allerdings auch noch ein haftungsrechtlicher Aspekt. Laut MPDG gilt automatisch jedes Produkt als Medizinprodukt, das in die oben genannte Definition fällt und im Rahmen einer heilkundlichen Therapie eingesetzt wird:

„Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Produkte im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/745 [= MDR]“ – § 2 (1) MPDG.

Der Anwender hat durch die Verwendung eines Nicht-Medizinproduktes für einen medizinischen Zweck, dieses Produkt zu einem Medizinprodukt erklärt, ihm also eine medizinische Zweckbestimmung hinzugefügt. In solchen Fällen verlangt die MDR Haftungspflichten:

„[Eine] natürliche oder juristische Person hat die Pflichten des Herstellers bei [...] Änderung der Zweckbestimmung eines bereits im Verkehr befindlichen [...] Produkts“ – Art. 16 (1) c) MDR.

Anwender würden also bei Fehlfunktionen oder Produktfehlern haften, als hätten Sie es selbst hergestellt, obwohl sie dies weder überblicken noch beeinflussen können.

 

Wie verhalte ich mich beim Einkauf?

Grundsätzlich muss also jedes Produkt als Medizinprodukt eingekauft werden, das eine medizinische Zweckbestimmung erfüllt, d. h. direkt an der Behandlung beteiligt ist. Dabei ist auf die unmittelbare Funktion abzustellen. Beispielsweise müssen Desinfektionsmittelspender keine Medizinprodukte sein, da die Bestimmung gemäß Tabelle „Verhütung von Krankheiten“ nicht durch den Spender selbst, sondern das Desinfektionsmittel darin bewirkt wird. Ähnlich sieht es beim Behandlungsstuhl aus; dieser erfüllt selbst keine medizinische Zweckbestimmung. Er mag ein Hilfsmittel sein und die Behandlung erleichtern, eine medizinische Wirkung erfüllt er jedoch selbst nicht.

Problematisch wird es für den Betreiber aber, wenn ein Hersteller beispielsweise ein Fußpflegegerät anbietet, bei dem lediglich das Handstück ein Medizinprodukt ist, nicht jedoch das gesamte Gerät. Für den Hersteller hat dies klare Vorteile: Die Zulassung nur des Handstücks ist deutlich kostengünstiger und einfacher als die eines Medizinprodukts mit integriertem Motor. Für den Betreiber ergibt sich jedoch ein erhebliches Risiko, da Sicherheit und Leistung der Anwendung nicht allein vom Handstück abhängen. Auch die einwandfreie Funktion des Motors ist essenziell. Stimmt die tatsächliche Drehzahl nicht mit der Anzeige überein, kann dies den Behandlungserfolg gefährden und sowohl Patienten- als auch Behandlersicherheit beeinträchtigen. Tritt am Motor eine Fehlfunktion auf, kann sich der Hersteller für diesen Teil des Produkts der Haftung entziehen – mit der Folge, dass der Betreiber die Verantwortung und mögliche Konsequenzen allein tragen muss.

Es ist also in Einrichtungen der Podologie und der medizinischen Fußpflege immer genau zu prüfen, ob ein Produkt in die mögliche Definition der MDR fällt, um im Einzelfall entscheiden zu können, ob es ein Medizinprodukt sein muss oder nicht. Im kosmetischen Bereich hingegen ist die Verwendung von Nicht-Medizinprodukten ausreichend und empfohlen.

 

Quellen

1 https://de-mdr-ivdr.tuvsud.com/Artikel-2-Begriffsbestimmungen.html;

 

Unser Autor

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Sascha Ruß
Hygieneingenieur, B.Sc.
physikalisch-technischer Laborleiter,
Dozent für Hygiene und Mikrobiologie, Schlüchtern
www.hyg-blog.de