Viele unserer Patientinnen und Patienten leiden unter Störungen im venösen und lymphatischen Gefäßsystem. In diesem Beitrag geht es um die Folgekomplikationen von Stauungen und um unterstützende Maßnahmen, die eine Verschlimmerung verhindern und den Rücktransport von Lymphe (wässrige hellgelbe Flüssigkeit) und venösem Blut ankurbeln.
Warum entstehen Stauungen?
Es gibt verschiedene Entstehungsmechanismen für chronische Stauungen in den unteren Extremitäten. Bei chronisch venöser Insuffizienz wird durch die längere Verweildauer des Blutes in den erweiterten Beinvenen unter Schwerkrafteinwirkung mehr Flüssigkeit ins Gewebe abgepresst, als die venösen Blutgefäße wieder zurückresorbieren können. Über Jahre hinweg münden diese anfangs „harmlosen“ Einlagerungen in einen Teufelskreis aus geschädigten Venen, Volumenüberschuss, Überlastung des Lymphgefäßsystems und Gewebeumbauprozessen.
Weitere Ursachen sind Passagehindernisse wie z. B. Narben oder durch eine Krebstherapie geschädigte Lymphbahnen, ein Lipödem (angeborene Fettgewebe-Verteilungsstörung), postthrombotisches Syndrom (nach erfolgreicher Ausheilung einer Thrombose bleibt ein Stauungs-Engpass im venösen Gefäß bestehen), Bindegewebsschwäche oder auch anlagebedingte Gefäßanomalien.
Folgekomplikationen
Die chronisch venöse Insuffizienz (CVI) erfordert unsere therapeutische Aufmerksamkeit. Immerhin sind rund 10 bis 15 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Werden vorbeugende Maßnahmen nicht konsequent genutzt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Ulcus cruris (Unterschenkelgeschwür) zu entwickeln, was nicht nur die Lebensqualität einschränkt, sondern auch vermeidbare finanzielle Schäden verursacht. Hinzu kommen mit Thrombose und Embolie lebensbedrohliche Folgekomplikationen.
Was zunächst mit „schweren Beinen“ und eingedrückten Ränder von Strümpfen und Sandalen-Riemen beginnt, führt später zu Kastenzehen, die aussehen wie in eine Box gepresst und nicht mehr über Nacht abschwellen. Im weiteren Verlauf folgen Veränderungen der Hautbeschaffenheit (Stauungsdermatitis und Dermatosklerose mit kleinen, papillenförmigen, warzig erhabenen Vergröberungen, die aussehen wie Hornhaut, sich aber nicht abtragen lassen, und sich bevorzugt auf den Zehenrücken und an den Fußaußenkanten bilden) und ein geändertes Hautkolorit (braune und weiße, gelbe und purpurfarbene flächige Flecken / Hämosiderose, Atrophie blanche und Purpura jaune d’ocre).
Die veränderten physikalischen Druckverhältnisse und die verlangsamte Zirkulation begünstigen außerdem eine Abwehrschwäche: In kleinen Verletzungen, z. B. durch Kratzwunden, können sich leichter Keime ausbreiten. Das Eysipel ist eine häufige Komplikation von CVI und Lymphöden. Umgekehrt schädigt jede Erysipel-Episode die Lymphgefäße dauerhaft und führt zur Verschlechterung des Gesamtzustandes.
Maßnahmen
1. Kompression
Die wichtigste Maßnahme ist die Kompression, sofern keine Kontraindikationen wie z. B. Herzinsuffizienz oder Morbus Raynaud dagegensprechen (bitte ärztlich abklären!). Wenn von außen Druck auf die Extremität ausgeübt wird, verringert sich der Durchmesser der venösen Blutgefäße, was zu einer schnelleren Strömungsgeschwindigkeit und weniger „Pendelblut“ (übermäßig lang in den Venen verbleibendes Blut, das zu Koagulation und Gerinnselbildung neigt) führt. Zusätzlich wird Flüssigkeit aus dem Zwischenzellraum in die Lymphgefäße gepresst und abdrainiert (abgeleitet).
Leider tragen Betroffene ihre Kompressionsbestrumpfung nicht konsequent oder erst, wenn die Probleme bereits ausgeprägt sind. Ein guter Einstieg können Läufer-Kniestrümpfe aus dem Sportbedarf sein oder konfektionierte Strümpfe aus dem Sanitätshaus. Je früher und konsequenter Druck von außen aufgebaut wird, desto langsamer entwickeln sich die Gefäßwandschäden, und desto weniger Komplikationen entstehen.
2. Effleuragen
Die Rückresorption von Gewebeflüssigkeit ins Lymph- und venöse System kann mit sanften Streichungen zum Körper hin (Effleurage) um ein Vielfaches gesteigert werden. Die feinen Lymphgefäße liegen als offene Kanälchen dicht unter der Haut. Bei stärkerem Druck werden sie dagegen zugedrückt und die Eingänge verschlossen, weswegen eine klassische Massage doppelt kontraindiziert ist (Durchblutungssteigerung und Zupressen der Lymphgefäße – beides schädlich). Bei den förderlichen Effleuragen darf keine Gewebeverschiebung stattfinden, sondern es wird wirklich nur oberflächlich nach oben „gestreichelt“ und ausgestrichen. Dazu ist keine Creme notwendig, da man ohne Produkt schneller, zarter und flächiger über die Haut gleiten kann. Effleuragen sind ein wichtiger Bestandteil der manuellen Lymphdrainage, und wirken besser, als bei dieser Sanftheit zu vermuten wäre.
3. Kühle Wasseranwendungen
Kühles abduschen, kühle Unterschenkel-Tauchbäder, Wasser-, Quark- oder Heilerde-Umschläge oder einfach nur weite, kalt-nasse Kniestrümpfe: Gerade im Sommer oder nach fordernden Aktivitäten wie z. B. Wandern ist es wohltuend, die Wärme und stärkere Durchblutung zu dämpfen. Dabei sollte die Temperatur so kühl sein, dass sie über eine längere Zeit als angenehm empfunden wird, aber nie so kalt, dass die arteriellen Gefäße sich zusammenziehen und im Anschluss wieder eine Mehrdurchblutung folgt. In der Hydrotherapie sind hier Temperaturen zwischen 26 bis 30 Grad Celsius gemeint, irgendwo zwischen lau und kühl. Je stärker der Effekt sein soll, desto länger ist die Anwendungsdauer.
4. Wasserdruck nutzen
Bewegung im (kühlen) Wasser eignet sich hervorragend zur Entstauung: Ob Schwimmen, Wassergymnastik, Aquajogging oder einfaches Treiben-lassen – der hydrostatische Druck wirkt wie eine sanfte Ganzkörper-Kompression und -drainage, was sich im Anschluss typischerweise in einer gesteigerten Urinausscheidung zeigt.
5. Manuelle Lymphdrainage (KPE)
Die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) besteht nicht nur aus der Lymphdrainage, sondern aus drei Komponenten, die nur zusammen richtig wirksam werden: Manuelle Lymphdrainage, Kompression und Gymnastik. Ergänzt wird die Therapie durch Hautpflege und Beratung zu Verhaltensregeln.
Die Entstauungstherapie muss ärztlich abgeklärt und kann zur Therapie von Komplikationen verordnet werden. Für die Erhaltung des Zustands kann auch ein mechanisches Lymphdrainage-Heimgerät zum Einsatz kommen, das die Rückresorption unspezifisch anregt, und sich aus diesem Grund nicht für Therapiephasen mit besonderem Bedarf eignet.
6. Aufklärung über Kontraindikationen
Betroffene sollten Auslöser für Mehrdurchblutung und Schwellung so weit wie möglich meiden. Hier ist unsere Beratung gefragt! Zu den wichtigsten Tipps und Anregungen gehören:
- Kein Sonnenbaden, Saunabesuch und heißes Bad
- Keine Massage
- Vermeiden von Verletzungen der betroffenen Bereiche (Schnittwunden, Insektenstiche, Injektionen, Blutabnahme oder Kratzwunden)
- Milde Hautpflege
- Konsequentes Anwenden der Kompression
- Regelmäßige Kontrolle von Hygiene und Passform des Kompressionsmaterials
- Wenig statische Tätigkeit: „viel liegen und gehen, wenig sitzen und stehen“
- Gymnastik und (stramme) Bewegung
- Immer wieder tief in den Bauch atmen und mit dem Schultergürtel kreisen, um die Lymphzirkulation anzuregen
- Mit leicht erhöhtem Fußteil schlafen
Zusammenfassung
Stauungen verschwinden nicht von alleine – in der Regel verlaufen sie chronisch progredient, werden im Lauf der Zeit immer schlimmer und die Folgekomplikationen zahlreicher und teilweise auch dramatisch. Zum Glück können Betroffene (und zur Risikogruppe zählen leider auch wir weiblichen Podologinnen mit unserem oft schwachen Bindegewebe und der sitzenden Tätigkeit!) mit Kompression und entstauuenden Maßnahmen im Alltag viel tun, um die Verschlechterung hinauszuzögern und sich im besten Fall Komplikationen wie Erysipel, Thrombosen und chronische Wunden zu ersparen.