Gehaltsverhandlungen erfolgreich führen: wie werden beide Seiten glücklich?


Featurebild

Bild: our-team I www.freepik.com

In Zeiten von Fachkräftemangel kann Geld zum Hebel werden. Obwohl die Arbeitnehmerposition immer stärker wird, ist in Gehaltsverhandlungen nicht alles möglich: Die Vergütung für podologische Leistungen ist nach oben gedeckelt und zu hohe Gehälter dürfen die Praxisinhaber nicht in die Privatinsolvenz führen. Aber auch Arbeitnehmer müssen durch die allgemeine Teuerung auf ihr Auskommen achten, denn am Ende wollen beide Seiten gut von ihrer Arbeit leben und nicht in die Altersarmut abrutschen. Was aber sind realistische und faire Kriterien, um in Gehaltsverhandlungen beiden Seiten gerecht zu werden?

 

Was ist die erbrachte Arbeit wert?

Beide Seiten sind zufrieden, wenn eine als angemessen empfundene Vergütung für die erbrachte Leistung herauskommt. Welche Parameter rund um die Kerntätigkeit definieren den möglichen Stundenlohn?

Aus Sicht des Arbeitgebers Aus Sicht des Arbeitnehmers
In welchem Rhythmus werden Patienten getaktet? In welcher Frequenz kann/möchte ich dauerhaft arbeiten?
Gibt es eine Rezeptions-/Reinigungskraft? Welche zusätzlichen Aufgaben muss ich in diesem Takt erledigen (Telefon, Termine…)?
Welche Behandlungspreise werden in der Praxis erzielt, und welche Leistungen sollen hauptsächlich durch die Mitarbeitenden angeboten werden? (HMV, Spangen, Privatleistungen…) Welche Kompetenzen bringe ich mit und mit welchen Patienten möchte/soll ich vorzugsweise arbeiten?
(z. B. sektoraler Heilpraktiker, Spangen…)

 

Beim Blick auf die Tabelle wird klar, dass der beste Plan an der Umsetzung scheitern kann: Ein Mitarbeiter kann zwar hochqualifiziert, schnell und motiviert sein (und damit theoretisch auch mehr Gehalt einfordern), wenn aber die Praxis das passende Patientengut und die Struktur nicht organisieren kann, besteht die Gefahr von Unter- oder Überbezahlung. Beides ist nicht gut. 

 

Faustregel nutzen

Was sich kompliziert anhört, können beide Seiten zunächst mit einer einfachen Faustformel greifbarer machen:

25-30 % eines normalen Stunden-Umsatzes kann als
Brutto-Stundenlohn veranschlagt werden.

Beispiel: Die Heilmittelverordnungs-Behandlung macht den Löwenanteil der Praxisumsätze aus. Sie wird immer mit 45 Minuten geplant. Ab Juli wird diese Leistung mit 52,49 € vergütet, also ist der Stundenumsatz 69,98 €. Damit wären zwischen 17,50 € und 23,30 € Brutto-Stundenlohn möglich. 

In der Realität entspricht das dem Einstiegsgehalt, auf dem je nach Leistungen und Taktung (und persönlichen Wünschen wie etwa Urlaub) aufgebaut werden kann. Diese Faustformel hilft vor allem Arbeitnehmern, ihren Marktwert auch in weiteren Gehaltsverhandlungen realistisch einzuschätzen, ohne das finanzielle Risiko des Arbeitgebers zu übergehen.

 

Verhandlungsspielraum

Beiden Seiten hilft es, bereits beim Einstieg die weiteren Verhandlungsschritte und -möglichkeiten festzulegen. So können sich keine Konflikte durch enttäuschte Erwartungen aufbauen, und ein bisschen „Luft nach oben“ wirkt motivierend. Zum Verhandlungsspielraum zählt unter anderem:

  • Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Einstiegs-Vergütung nicht ganz einig werden, kann die Vereinbarung einer Probezeit helfen. Die Arbeitsleistung lässt sich nachvollziehen und das Gehalt nach oben anpassen. Konkrete Vereinbarungen sind wichtig, um das Vertrauensverhältnis nicht zu stören.
  • Die Probezeit sollte ebenfalls dafür genutzt werden, die Rahmenbedingungen anzupassen und wie vereinbart zu optimieren (Patienten, Behandlungen, Besonderheiten).
  • Sind regelmäßige Standard-Gehaltssteigerungen geplant oder soll immer wieder neu und individuell verhandelt werden? Sind dafür feste Termine vorgesehen?

 

Zusammenfassung

Ein faires Gehalt ist für beide Partner existenziell: Für die Praxisinhaberinnen und -inhaber, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein und das private Risiko zu minimieren, für Mitarbeitende, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und die eingebrachte Leistung honoriert zu bekommen. Da eine detaillierte Kalkulation von sehr vielen Parametern abhängt, hilft es, den Stundenlohn mit einer einfachen Viertel-bis-Drittel-Faustformel zu überschlagen, und sich im Anschluss konkret über schrittweise Anpassungen einig zu werden. Viel Erfolg!

 

Unsere Autorin

MR-2_m_m

Anja Stoffel 
Physiotherapeutin und Podologin B.Sc. und sek. HP 
Fachdozentin und Praxisanleiterin für Berufe im Gesundheitswesen, Karlstein 
www.podovision.de
Kopfsachen für Fußmenschen