Uhrglasnägel

Uhrglasnägel


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Finger- und Fußnägel sind ein Abbild der Gesundheit des Menschen. Eine Vielzahl von Nagelveränderungen an Finger- und/oder Fußnägeln kann einerseits harmlos sein, andererseits auf schwere Grundkrankheiten hinweisen.

Bei Uhrglasnägeln (auch Unguis hippocraticus oder watch-crystal-nail genannt) handelt es sich um vergrößerte, derbe rundliche und verstärkt gewölbte Nägel in Längs- und Querrichtung. Meistens treten Uhrglasnägel in Kombination mit Trommelschlegelfingern oder -zehen auf, sogenannte Kolbenfinger oder Kolbenzehen. Dabei erscheinen die Finger und Zehenendglieder kolbenförmig mit ausgeprägter Weichteilverdickung.

 

Pathogenese

Zugrunde liegt meistens eine kardiopulmonale Insuffizienz (Leistungsschwäche des Herzens und/oder Lunge) mit chronischem Sauerstoffmangel. Daraus resultiert eine Störung der physiologischen Nagelbildung. Des Weiteren kommt es zum vermehrten Wachstum von Bindegewebe zwischen Finger- und Zehenendgliedern und der Matrix unguis (Nagelbett). Eine Neubildung von Kapillaren (Haargefäße) ist auf eine periphere Sauerstoffunterversorgung zurückzuführen. Daraus kann sich infolge eines vermehrten periostalen Knochenanbaus (Hyperostose) eine kolbenförmige Auftreibung der Zehen- und Fingerendglieder entwickeln.

 

Ursachen

Der systemische Sauerstoffmangel ist Folge zahlreicher auslösender Grundkrankheiten. Im Vordergrund stehen Herz- und Lungenerkrankungen, wie zum Beispiel:

  • Lungenemphysem (Vergrößerung des Luftraums mit Zerstörung der Lungenbläschen);
  • Lungenfibrose (bindegewebige-, narbige Veränderungen des Lungengerüsts);
  • Bronchiektasen (Erweiterung der Bronchien);
  • Lungen TBC (Tuberkulose);
  • Lungenasbestose;
  • Lungenkarzinom;
  • Mukoviszidose (zystische Fibrose, angeborene Stoffwechselkrankheit, bei der zäher Schleim entsteht);
  • Herzklappenfehler (Vitien);
  • Chronische Herzschwäche (Herzinsuffizienz);
  • Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut);
  • Vorhofseptum- oder Ventrikelseptumdefekt.

Weitere seltenere Ursachen: Autoimmunkrankheiten

  • Morbus Crohn (chronisch entzündliche Erkrankung des Magen-Darmtraktes);
  • Colitis ulcerosa (Dickdarmentzündung);
  • Zöliakie (immunologische Erkrankung des Darmes);
  • Morbus Hodgkin im Abdomen (Lymphdrüsenkrebs im Bauchraum).

Seltener bei Lebererkrankung:

  • Leberzirrhose infolge einer Viruserkrankung (Hepatitis C) oder Alkoholabusus.

Letztlich kann eine idiopathische (unbekannte) Ursache vorliegen.

 

Klinische Symptomatik

Typisch sind auffällige große, runde konvexe und verdickte Fuß- und Fingernägel beiderseits. Finger- und Zehenendglieder erscheinen kolbenförmig aufgetrieben als sogenannte Trommelschlegelfinger und -zehen (Abb. 1 a, b und 2). Besteht die Veränderung am Nagel und Endglied nur an einem Finger oder Zeh, handelt es sich meistens um eine lokale Gefäßstörung. Uhrglasnägel sind schmerzfrei, allerdings kosmetisch störend.

 

Diagnostik

Bei einem einzelnen bestehenden Uhrglasnagel kommt eine Vererbung in Betracht, die mithilfe der Anamnese abgeklärt werden kann. Des Weiteren sind beim Betroffenen vorliegende innere Erkrankungen bei der Befragung wichtig. Mittels Blickdiagnose (Inspektion) fallen die pathologischen Veränderungen an Finger- und Fußnägeln sofort auf. Bei Verdacht auf vorliegende Lungenerkrankungen erfolgt die Überprüfung der Lungenfunktion in einer Kabine, um frühzeitig Ventilationsstörungen zu erfassen und zu behandeln. Es schließen sich eine Sputum-Diagnostik und gegebenenfalls eine Bronchoskopie (Lungenspiegelung) an. Weiterhin kommt eine Body-Plethysmografie (Bestimmung des Atemwegswiderstands und des Gasvolumens) in Betracht. Letztlich dient die Rhinomanometrie zur Prüfung des nasalen Atemwegswiderstands. Ferner erfolgen EKG (Elektrokardiografie) und Echokardiografie. Blutgasanalysen in Ruhe und unter Belastung sind zur Erfassung eines vorliegenden Sauerstoffmangels notwendig. Zu den serologischen Untersuchungen (Blutuntersuchung) gehören Blutsenkung, Differentialblutbild, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Leberwerte und Tumormarker. Die bildgebende Diagnostik betrifft, je nach vorliegender Grundkrankheit, Röntgen des Thorax (Brustkorb), Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) und gegebenenfalls eine Szintigrafie des Herzens.

 

Therapie

Im Vordergrund steht zunächst die Behandlung der Grundkrankheit. Eine Rückbildung der typischen Nagelveränderungen ist bei frühzeitiger Erkennung und zeitnaher Therapie möglich. Allerdings haben bei dem Prozess der Schweregrad der vorliegenden inneren Grunderkrankung und die bereits ausgeprägte Nagelveränderung erheblichen Einfluss auf die Rückbildung der Uhrglasnägel. Zu beachten ist, dass die typische Trommelschlegelform der Finger oder Zehen nicht behoben werden kann.

Im Therapieplan spielen regelmäßige podologische Behandlungen mit Aufklärung und Tipps für die häusliche Fußpflege eine wichtige Rolle. Um Nagelinfektionen zu verhindern, wird der dorsale derbe Anteil der Nagelplatte nicht abgeschliffen. Des Weiteren schließt der Nagelrand mit der Zehen- und Fingerkuppe mit leichter Abrundung der Nagelecken ab. Zur häuslichen Nagelkürzung sollten Betroffene eine Sandblatt- oder Diamantfeile benutzen.

Bei der Nagelpflege können gut spreitfähige Öle (z. B. GEHWOL MED Nagel- und Hautschutz-Öl) eingesetzt werden, deren Inhaltsstoffe die umliegende Nagelhaut vor Entzündungen (z.B. Bisabolol), aber auch vor Mykosen (z. B. Clotrimazol) schützen und den Nagel widerstandsfähig machen (z. B. Vitamin E-reiches Weizenkeimöl). Tägliche Fußbäder mit antimikrobiell wirksamen Zusätzen (z. B. GEHWOL Fußbad mit balsamischen Kräuterölen), häusliche Fußgymnastik und Fußmassagen fördern die notwendige Durchblutung. Zu beachten ist, dass Betroffene mit Diabetes mellitus Fußbäder bei intakter Haut bei einer Wassertemperatur von 36 bis 38 ° Celsius, nach vorheriger Kontrolle mit einem Badethermometer, für 3 bis maximal 5 Minuten durchführen können.

Beim Kauf neuer Konfektionsschuhe ist im Stand eine Distanz von längster Zehe bis zur vorderen Schuhbegrenzung von mindestens 7 bis 10 Millimetern notwendig, da sonst Druck auf die Uhrglasnägel eine zusätzliche Durchblutungsstörung auslösen kann. Ebenso sollten Breite und Länge des weichen, atmungsaktiven Lederschuhs der individuellen Fußform und den verbreiterten Zehen angepasst sein. Vorhandene notwendige orthopädische Maßeinlagen sollten beim Kauf neuer Konfektionsschuhe seitens des erforderlichen Platzes mitberücksichtigt werden. Da der Fuß erfahrungsgemäß tagsüber anschwillt, ist der Kauf neuer Schuhe am Nachmittag empfehlenswert.

 

Prophylaxe

Zur Verbesserung und Förderung der Durchblutung, bei zugrunde liegenden inneren Erkrankungen (siehe Ursachen), sollte der Betroffene mit Uhrglasnägeln regelmäßig, dem Alter und dem Schweregrad der Grundkrankheit entsprechend, angepassten Sport durchführen. Des Weiteren ist eine gesunde Lebensweise wichtig. Auf Nikotin und größere Mengen Alkohol sollte verzichtet werden.

Fallbeispiel

Abb1
Abb2

Abb. 1 a und b
Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger beiderseits bei einem 64 Jahre alten Mann mit hochgradigem Lungenemphysem.

Abb2a

Abb. 2
Beide Füße zeigen Uhrglasnägel und auffällige kolbenförmige verdickte Zehenendglieder - sogenannte Trommelschlegelzehen mit Zustand nach Amputation der 4. Zehe rechts.