Wo Freie Mitarbeit die Lösung sein kann, und in welchen Fällen eher nicht

Wo Freie Mitarbeit die Lösung sein kann, und in welchen Fällen eher nicht

Featurebild

Bild: shurkin_son | freepik.com

Freie Mitarbeiter oder Freelancer könnten der Traum jeder Praxis sein: ein Anruf bei der Vermittlungsagentur genügt, und schon kann man ganz entspannt Mehrarbeitsphasen durch Urlaub, Krankheit, Familienplanung oder Mitarbeiterwechsel abfedern. Die Fachkraft erscheint zum vereinbarten Zeitpunkt, macht professionell und reibungslos ihren Job, und verschwindet ohne weitere Forderungen und Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis wieder. Nur das Geld muss stimmen.

 

Chancen und Risiken durch Freie Mitarbeiter

Was sich wie bloße Theorie anhört, wird in den Pflege- und Therapieberufen bereits erfolgreich praktiziert. Aber auch ohne vermittelnde Agentur bzw. Personaldienstleister kann freiberufliche Mitarbeit risikolos organisiert werden, wenn alle Beteiligten die Rahmenbedingungen kennen und beachten.

 

Risiko Scheinselbständigkeit

Wenn freie Mitarbeit so praktisch für alle Seiten ist, warum macht es dann fast niemand? Weil die Gefahr der Scheinselbständigkeit droht. Unter Scheinselbständigkeit versteht man ein Verhältnis zwischen Auftraggeber und -nehmer, bei dem zwar kein Arbeitsvertrag mit Angestelltengehalt, Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen geschlossen wurde, sich beide Parteien im Arbeitsalltag aber wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber verhalten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Auftraggeber/Praxisinhaber weisungsbefugt ist, oder wenn es nur die eine Praxis als Auftraggeber gibt – eben so, als würde man „normal“ zur Arbeit gehen. Diese staatliche Regulierung ist durchaus berechtigt: zum einen schützt es Arbeitnehmer davor, dass Arbeitgeber sich vor ihrer Verantwortung „drücken“ und Kündigungen in der Absicht auf freiberufliche Weiterbeschäftigung nutzen, um beispielsweise Lohnfortzahlungen in Fehlzeiten zu sparen. Zum anderen schützt es den Sozialstaat vor dem Hinterziehen von Sozialabgaben. Das Risiko tragen Auftraggeber und Auftragnehmer: Bei vorliegender Scheinselbständigkeit müssen die „geprellten“ Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend von beiden Seiten zurückgezahlt werden. Das kann bei mehrjähriger intensiver Zusammenarbeit eine schmerzhaft große Summe sein.

Für die Podologie ist das Risiko in der Regel überschaubar, denn als grobe Faustregel gilt: Je länger, intensiver und hochpreisiger das Auftragsverhältnis war, desto höher summieren sich mögliche Rückzahlungen. Umgekehrt gilt aber ebenso, dass sich bei kurzen, wenige Wochen bestehenden Aufträgen im Jahr kein wirklich dramatisches Risiko aufsummiert. Zudem wurden in den vergangenen drei Jahren 2/3 der Statusfeststellungsverfahren zugunsten einer Selbständigkeit entschieden, und nur 1/3 auf Scheinselbstständigkeit.

 

Vermeiden von Scheinselbständigkeit

Es gibt zwei Möglichkeiten, das Risiko für beide Seiten zu minimieren:

1. Offizielle Statusprüfung

Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, stellt einen elektronischen oder schriftlichen kostenfreien Antrag auf Statusfeststellung bei der sogenannten Clearingstelle. Auftraggeber und Auftragnehmer können im Rahmen einer Prognoseentscheidung bereits vor Aufnahme der Tätigkeit eine Feststellung des zu erwartenden Erwerbsstatus erlangen. Voraussetzung ist, dass bereits ein schriftlicher Vertrag über das Auftragsverhältnis geschlossen wurde und die Umstände der beabsichtigten Vertragsdurchführung feststehen.

Alternativ kann innerhalb eines Monats nach Beginn der Zusammenarbeit die sogenannte Elementenfeststellung beantragt werden. Dieser erste Monat gilt als Schonfrist, in der keine rückwirkenden Sozialbeiträge fällig werden dürfen (und wirkt gleichzeitig als Beschleuniger des Feststellungsverfahrens).

2. Die eigene Planung

Die einfachste Möglichkeit ist, sich die Fragen des Feststellungsverfahrens anzusehen, ehrlich zu beantworten, und für die Gestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit zu nutzen. Hier einige Beispiele, an denen man gut erkennen kann, auf welche Modalitäten bei der Zusammenarbeit zu achten ist:

  • Bitte schildern Sie, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang regelmäßige Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten einzuhalten sind und ob vom Auftraggeber Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit gemacht werden.
  • Bitte schildern Sie, ob und in welchem Umfang eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers vorliegt (zum Beispiel durch die Teilnahme an Dienstbesprechungen, Teamarbeit, Dienstpläne, Dienstkleidung, Schulungsmaßnahmen).
  • Bitte schildern Sie, ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer unternehmerisch auftritt (zum Beispiel durch eigene Werbung, durch eigene Preisgestaltung)
  • Bitte schildern Sie, ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer ein eigenes Unternehmerrisiko trägt (zum Beispiel durch Kapitaleinsatz).

 

Schlussfolgerung

Die Fragen zur Feststellung geben wichtige Hinweise auf die Kriterien, nach denen Scheinselbständigkeit geprüft wird. Dieses Wissen kann man sich zunutze machen: Wenn das Verhältnis von vorneherein so gestaltet wird, dass der beauftrage freie Mitarbeiter unabhängig agieren kann, nicht weisungsbefugt ist, unternehmerisches Risiko trägt und mehrere Auftraggeber hat, ist das Risiko einer Scheinselbständigkeit gering.

 

Quellen

Die fünf größten Irrtümer zum Statusfeststellungsverfahren
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Arbeitnehmer-und-Selbststaendige/03_Selbststaendige/irrtuemer_statusfestellungsverfahren.html

Formulare und Adressen der Deutschen Rentenversicherung
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Formulare/DE/Formularpakete/01_versicherte/01_vor_der_rente/_DRV_Paket_Versicherung_Statusfeststellung.html

Beschreibung des Auftragsverhältnisses zum Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus:
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Formulare/DE/_pdf/C0031.html

Unsere Autorin

Autorenbild

Anja Stoffel
Physiotherapeutin und Podologin B.Sc. und sek. HP
Fachdozentin und Praxisanleiterin für Berufe im Gesundheitswesen, Karlstein
www.podovision.de
Kopfsachen für Fußmenschen