Arbeits-Techniken bei Nagelanomalien und Dystrophie

Arbeits-Techniken bei Nagelanomalien und Dystrophie

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Wer zum ersten Mal professionell anderen die Nägel schneidet, kommt ganz schön ins Schwitzen: die Perspektive ist anders, die Instrumentenhaltung und -führung muss erlernt werden, und die Nägel machen nicht immer das, was sie sollen. Aber auch für routinierte Fuß-Behandler gibt es schwierige Nagelverhältnisse, die den Nagelschnitt zur Herausforderung werden lassen. Dabei können die richtigen Techniken ein gutes Endergebnis deutlich verbessern und gleichzeitig dafür sorgen, dass wir auch bei kniffligen Nägeln gelassen bleiben.

 

Instrumente

Gute Instrumente sind die wichtigste Arbeitsgrundlage überhaupt. Wer schon einmal im direkten Vergleich eine große, schwergängige, stumpfe Zange neben einer scharfen, leichten, zur Handgröße passenden Zange benutzt hat, weiß das. Genauso haben unsere Patienten selbst mit zunehmenden Nagelveränderungen, Sichteinschränkungen und Mobilitätsproblemen zu kämpfen, was das Arbeiten am eigenen Körper mit normalen Drogerie-Knipsern und Mini-Nagelscheren unmöglich macht. Die Ergebnisse sehen wir dann oft genug bei uns auf dem Stuhl. Deshalb sind sowohl im Profibereich, aber auch zuhause scharfe und passend große Instrumente ein Muss.

 

Spröde, splitternde Nägel

Eine Folge des Älterwerdens, aber auch anderer Ursachen ist die Dystrophie der Nagelplatte. Sie wird zunehmend spröde, verliert den Glanz und splittert leichter, weil die Elastizität fehlt. Das Splittern macht die Kontrolle beim Schneiden schwierig und birgt das Risiko von zu tief ausgebrochenen Nagelecken, was wiederum Folgekomplikationen beim Hochwachsen verursacht. Im schlimmsten Fall drohen eingewachsene Nägel.

Was hilft? Die Nagelplatte vorab gut einzuweichen, um elastischer und nachgiebiger beim Schneiden zu bleiben, und in möglichst kleinen Schnitt-Schritten zu kürzen, also z.B. die großen Nägel lieber in 4-6 Etappen zu schneiden als in zwei oder drei.

 

Verdickte und strukturell veränderte Nägel

Verdickte Nägel können je nach Ursache fest und hart, aber auch weich und fasrig werden. Feste Nägel sind eher durch Traumata oder Durchblutungsstörungen bedingt, während weiche, fasrige Nägel eher durch Onychomykose oder chronische Hautkrankheiten wie Psoriasis hervorgerufen werden.

Wenn feste, harte und verdickte Nägel gekürzt werden sollen, dann helfen diese Techniken:

  • Gutes Einweichen, um ein wegbrechen und Splittern zu verhindern.
  • Fräsen, bevor geschnitten wird.
  • Verdickungen mit einem groben oder supergroben Hartmetall-, Hybrid- oder Keramikfräser von proximal nach distal abschälen.
  • Dabei eine hohe Umdrehungszahl wählen, z.B. 25.000, um effizient abzutragen.
  • Achtung Linkshänder: Hartmetallfräser sind für eine Drehrichtung geschliffen, Linkshänder müssen Linkshänder-Fräser benutzen, vom Körper wegarbeiten oder das Handstück drehen.
  • „Schweres Gerät“, also grobe Fräser und hohe Umdrehung helfen, den unangenehmen Fräsvorgang mit möglichst kurzer Verweildauer auf dem Nagel auszuführen. Das Ziel ist dabei, mit Druck möglichst viel abzutragen, aber dabei die unangenehme Hitzeentwicklung und Vibration auf ein Minimum zu reduzieren. Nasstechnik maskiert die Hitze, der mechanische Vorgang bleibt aber leider gleich unangenehm.
  • Erst auf normalem Nagelniveau wird die Länge eingekürzt und der Nagel endbearbeitet.

 

Tipp bei rauen Oberflächen

Wenn bei Onychorrhexis, Trachyonychie oder psoriatischen Nägeln die Nagelplatte nicht glatt, sondern angeraut und splittrig zurückbleibt, kann die Oberfläche mit einer dünnen Schicht lufttrocknender Nagelmasse (z.B. GEHWOL Nagelmasse) versiegelt werden. Das geht schnell und birgt kein Risiko für den Nagel, weil die Masse nicht okklusiv ist und sich von allein wieder abträgt. Die Versiegelung verhindert effektiv das lästige Hängenbleiben an den Stümpfen.

 

Hypertrophie des Hyponychium

Nicht nur die Cuticula schützt den Nagel vor Infektionen, auch distal unter dem freien Nagelrand liegt ein verborgenes Schutz-Häutchen. Diese Struktur, die auch als Sohlenhorn bezeichnet wird, kann sich verändern, z.B. wenn Nägel sich stark einrollen oder als Nebenwirkung bei der Einnahme von Medikamenten. Die Gefahr einer Verletzung beim Nagelschnitt ist groß, wenn das Hyponychium verhornt oder wie eine Lippe nach vorne herausweicht. Dabei kommt es zu starken Blutungen. Hier hilft Fräsen statt Schneiden, um die Länge einzukürzen, oder wenn notwendig nur sehr vorsichtiges, kleinschrittiges Schneiden. Manchmal gelingt es, die gut eingeweichte Verhornung unter dem Nagelrand mit dem Doppelinstrument abzunehmen. Das muss sehr dosiert geschehen, um keinen Bildungsreiz mit Mehrverhornung auszulösen. Langfristig kann das Hyponychium bei gerollten Nägeln mit einer Nagelkorrekturspange regeneriert werden.

 

Viel Erfolg bei der Bearbeitung schwieriger Nagelverhältnisse!

In jedem Fall gilt: Ausprobieren und auch aus eigenen Fehlern zu lernen ist bei schwierigen Nägeln immer noch besser als Patienten zuhause selbst experimentieren zu lassen. Bleiben Patienten sich selbst überlassen, sind- nicht zuletzt wegen der nicht professionellen Arbeitsbedingungen und oftmals eingeschränkter Mobilität - schwerere Missgeschicke möglich.

Unsere Autorin

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Anja Stoffel
Physiotherapeutin und Podologin B.Sc. und sek. HP
Fachdozentin und Praxisanleiterin für Berufe im Gesundheitswesen, Karlstein
www.podovision.de
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