Sesambeinfraktur an der Großzehe


Sesambeinfraktur an der Großzehe

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Bild: m-gucci | istockphoto.com

Sesambeine (Ossa sesamoidea) sind kleine runde Knochen, auch bekannt als sogenannte Schaltknochen, die innerhalb einer Sehne eingelagert sind. Der Mensch besitzt mehrere Sesambeine, wobei die Kniescheibe (Patella) das größte ist. Hinzu kommen Kleinere, wie zum Beispiel das Sesambein in der Sehne des Zwillingsmuskels am Unterschenkel, in der Handwurzelregion am Daumen und zwei plantar (fußsohlenwärts) unterhalb des Köpfchens des I. Mittelfußknochens. Größe und Form von Sesambeinen beim Menschen sind variabel. In der Regel beträgt die Größe des medialen Sesambeins unterhalb des Großzehengrundgelenks 10 bis 15 Millimeter. Das laterale Sesambein hat eine Größe zwischen 10 und 12 Millimetern. Die kleinen, runden bis bohnengroßen, platten Knochen sind in der Sehne des kurzen Großzehenbeugers (Musculus flexor hallucis brevis) eingelagert. Innerhalb beider kleiner Schaltknochen befindet sich die Sehne des Musculus flexor hallucis longus (langer Großzehenbeuger). Untereinander sind beide Sesambeine mit Bändern verbunden (Ligamentum (Band) intersesamoideum und metatarseum transversum profundum).

 

Wichtige Funktionen der Sesambeine 

Sesambeine bewirken, dass die Sehne genügend Abstand zu umliegenden Knochen hat. Darüber hinaus dienen sie zur Druckaufnahme und Reduzierung von Reibung beim Gehen, Laufen, Springen und Klettern. Fettpolster und Hornhaut schützen zusätzlich den Fuß vor Druck-, Stauch- und Scherbelastungen.

 

Ursachen einer Sesambeinfraktur

Stress-, Ermüdungs- oder Überlastungsfrakturen basieren vor allem auf wiederholt langen anhaltenden Belastungen mit Ermüdung des Knochens. Diese kann vor allem durch längere Wanderungen, Laufen, Jogging und Ballspieldisziplinen erfolgen. Die Ermüdung des Knochens ist auf zunehmende, sich entwickelnde ossäre (knöcherne) Umbauprozesse zurückzuführen. Bei Stressfrakturen liegt häufig ein erhöhtes mediales Längsfußgewölbe vor. Zudem können ungeeignete und nicht passende Schuhe eine Stressfraktur begünstigen. Direkte Traumen betreffen Quetschungen des Fußes, Fehltritt, Überrollung oder Stoß am Vorfuß (siehe Fallbeispiel).

 

Klinische Symptomatik

Betroffene geben bei Belastung einen tiefen dumpfen bis stechenden Schmerz unterhalb des Großzehengelenks an. Häufiger ist das mediale Sesambein frakturiert. Typisch sind ein heftiger Druckschmerz und eine plantare Schwellung. Oft sind diese Symptome mit einem hinkenden Gangbild verbunden. Betroffene rollen den Fuß zur Entlastung über den Außenrand ab. Zwischenzeitlich sind schmerzfreie Intervalle möglich.

 

Diagnostik

Oberste Priorität hat eine explizite Anamneseerhebung zur Abklärung eines stattgefundenen Traumas, extremer sportlicher Aktivität und/oder bekannter entzündlicher Grundkrankheiten.  In der plantaren Region der Großzehe fallen bei der Untersuchung eine Schwellung und gegebenenfalls eine Rötung auf. Mithilfe der Palpation wird die Großzehe verstärkt überstreckt (Abb. 1). Hierbei kommt es zur Schmerzverstärkung. Ein Stimmgabeltest zur Abgrenzung einer Sesambeinfraktur und von einem harmlosen anlagebedingten geteilten Sesambein ist ratsam (Abb. 2). Dabei werden mit einer vibrierenden Stimmgabel, die plantar auf das I. Mittelfußköpfchen aufgesetzt wird, bei einer vorliegenden Fraktur Schmerzen ausgelöst. Bei einem anlagebedingten geteilten Sesambein spüren Betroffene bei dem Test keine Schmerzen. Die bildgebende Diagnostik betrifft Röntgen im dorsoplantaren, seitlichen und tangentialen Strahlengang. Dabei erscheint das distale kleine Fragment meistens des medialen Sesambeins unregelmäßig begrenzt und gegebenenfalls verschoben (Abb. 3 a und b und Abb. 4 a und b). Weiterhin ist die Fraktur mithilfe einer Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) sicher zu erkennen. Anlagebedingte mehrteilige Sesambeine weisen einen glatten regelmäßigen Rand auf und können demzufolge gegenüber einer Fraktur gut abgegrenzt werden. Aseptische Knochennekrosen (Absterben von Knochengewebe ohne Erreger) zeigen einen scholligen Zerfall mit Sklerosezonen (Verkalkungen). Eine unspezifische Sesamoiditis erscheint im Röntgenbild unauffällig. Im weiteren Verlauf liegen bei einer Szintigrafie pathologische Veränderungen im Sesambein vor. Auf den Röntgenbildern einer spezifischen Sesamoiditis sind vor allem Zysten, Sklerosezonen und letztlich eine Osteolyse (Knochenauflösung) zu erkennen. Degenerative Veränderungen der kleinen Schaltknochen erscheinen als Zysten, Osteophyten (kleine knöcherne Ausziehungen) und/oder Sklerose (krankhafte Verhärtung).

 

Differentialdiagnostik

Weitere Krankheitsbilder mit zum Teil ähnlichen Symptomen sollten ausgeschlossen werden. Dazu gehören zum Beispiel:

  1. Unspezifische Sesambeinentzündung: Ursächlich werden hier lokale Durchblutungsstörungen und konstitutionelle Faktoren angenommen, besonders bei Tänzern, Marathonläufern und Joggern.
  2. Spezifische Sesambeinentzündungen: Auslöser sind chronisch entzündliche Grundkrankheiten wie zum Beispiel Podagra (Fußgicht), rheumatoide Arthritis, Osteomyelitis (bakterielle Knochenmarkentzündung), Ulzera beim diabetischen Fußsyndrom (DFS).
  3. Aseptische Knochennekrose, die infolge ständiger Überlastung oder durch Mikrotraumata entsteht.
  4. Degenerative Veränderung: Die schmerzhaften Verschleißerkrankungen sind vor allem auf vorliegende Zehen- und/oder Fußdeformitäten zurückzuführen.
  5. Anlagebedingtes mehrgeteiltes Sesambein (Sesamoideum partitum), das nach Literaturangaben etwa zu 10 Prozent, infolge fehlender Verschmelzung, beim Menschen besteht.

 

Therapie

 

Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Im Vordergrund steht bei Erkrankung der Sesambeine eine Entlastung. In der akuten Phase kommen Kryotherapie oder kalte Umschläge, Hochlagerung des Fußes und zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung NSAR (nicht steroidale Antirheumatika (ohne Kortison)) infrage. Eine Entlastung erfolgt im Vorfußentlastungsschuh für etwa vier bis sechs Wochen (Abb. 5). Bei einer Fraktur des Sesambeins plantar der Großzehe ist die Immobilisierung für etwa vier bis sechs Wochen im Aircast Walker ratsam (Abb. 6). Die Fußorthese besitzt mehrere aufpumpbare Luftkammern. Die zwei Halbschalen mit Klettverschluss dienen zur Anpassung des Fußvolumens. Des Weiteren ist eine notwendige, sorgfältige Hautpflege problemlos möglich. Die Orthese ist komplett mit Schaumstoff ausgekleidet, sodass Druckstellen vermieden werden. Letztlich schützt eine biomechanisch gefertigte Gummiprofilsohle vor Stoß und Druck. 

Nach Abheilung der Fraktur sind eine dicke Laufsohle, niedriger Absatz und eine Ballenrolle am Konfektionsschuh hilfreich.

 

Bei verschoben Fragmenten kommt eine Osteosynthese mit Minischraube in Betracht.

Eine Indikation zur Entfernung des Sesambeins am Großzehengrundgelenk erfordert immer ein strenges und sorgfältiges Abwägen von Vor- und Nachteilen, da die Mobilität des Fußes nach der Entfernung eingeschränkt sein kann.

Fallbeispiel

Ein 43 Jahre alter Kletterer wollte gegen eine Wand springen. Dabei rutschte er ab und verlor das Gleichgewicht und prallte an die Wand. Es kam zu einem Hyperdorsalextensionstrauma mit heftigen Schmerzen im rechten Großzehengrundgelenk. Es bestand bei der ärztlichen Konsultation plantar am I. Mittelfußköpfchen ein starker Druckschmerz mit Bewegungseinschränkung bei medialer Sesambeinfraktur. Nach Kryotherapie, Hochlagerung, Ibuprofen und zunächst Entlastung an zwei Unterarmgehstützen kam es nur zur geringen Linderung der Beschwerden. Leider kam anschließend der Betroffene mit einem Vorfußentlastungsschuh nicht zurecht, sodass die Entlastung für sechs Wochen im Aircast Walker erfolgte. Danach bestand mit verordneten Weichbettungen und einer vorübergehenden Ballenrolle an Konfektionsschuhen Beschwerdefreiheit.

Abb-1

Abb. 1: Klinischer Test bei Verdacht auf eine Sesambeinerkrankung mittels Hyperdorsalextension (Überstreckung) der Großzehe.

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Abb. 2: Stimmgabeltest plantar am I. Mittelfußköpfchen bei Verdacht auf Sesambeinfraktur.

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Abb. 3 a-b: Röntgenbilder des rechten Fußes im dorsoplantaren und seitlichen Strahlengang zeigen eine Fraktur des medialen Sesambeins ohne Dislokation (Verschiebung).

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Abb. 4 a-b: Vergleichsaufnahmen in zwei Ebenen des linken Fußes weisen einen physiologischen Befund der Sesambeine auf. Als Nebenbefund besteht ein Digitus quintus.

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Abb. 5: Vorfußentlastungsschuh

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Abb. 6: Aircast Walker, Unterschenkelorthese zur Immobilisierung des Fußes.

Unsere Autorin

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Dr. med. Renate Wolansky   
Fachärztin für Orthopädie,   
Sportmedizin, Naumburg