Diabetischer Charcotfuß

Diabetischer Charcotfuß

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Bild: Choo | stock.adobe.com

Beim Diabetes mellitus handelt es sich um eine Glukosestoffwechselkrankheit mit multifaktoriellen Veränderungen, besonders einer peripheren Nerven- und Gefäßschädigung an den Füßen, die zur Amputation führen können. Diese ist allerdings durch konsequente Prophylaxe und Compliance der Betroffenen meistens vermeidbar.

 

Krankhaften Veränderungen

Der diabetische Charcotfuß ist eine schwerwiegende Spätkomplikation des diabetischen Fußsyndroms und betrifft:

  • Gefäßsystem: diabetische Makroangiopathie (Erkrankung der großen Gefäße), Mikroangiopathie (Erkrankung der kleinen Gefäße);
  • Nervensystem: diabetische Polyneuropathie (Erkrankung der peripheren Nerven);
  • Muskulatur: diabetische Myatrophie (Erkrankung der kurzen und langen Fußmuskeln);
  • Fettgewebe: diabetische Fettgewebsatrophie (Rückgang des Fettgewebes besonders an der Fußsohle);
  • Knochen und Gelenke:diabetische Neuro-Osteo-Arthropathie (DNOAP), diabetischer Charcotfuß (Schädigung der peripheren Nerven, Knochen und Gelenke).

Klinische Symptome

Aufgrund der peripheren Nervenschädigung kommt es zur Verminderung bis Aufhebung von:

Sensibilitätsstörungen

  • Oberflächensensibilität: Überprüfung mit einem Wattebausch;
  • Schmerzempfinden: Abklärung mit einem Neurotip;
  • Temperaturempfinden: Untersuchung mithilfe eines Tip-Therm;
  • Druckempfinden: Beurteilung erfolgt mit einem Neurofilament oder sogenannten Monofilament;
  • Tiefensensibilität: zur Bestimmung der Tiefensensibilität wird eine Stimmgabel nach Rydel-Seiffer verwendet.

Motorische Störungen

Sie betreffen eine Abschwächung oder Aufhebung der Muskeleigenreflexe (z. B. an den unteren Extremitäten den PSR - Patellarsehnenreflex und ASR - Achillessehnenreflex). Des Weiteren kann es zur Atrophie der kurzen und langen Fußmuskeln kommen.

Autonome Störungen

Sie entwickeln sich aufgrund einer fehlenden Schweißsekretion, die zur extrem trockenen und rissigen Haut führt, wobei die Gefahr einer Superinfektion durch Mikroorganismen (Bakterien, Viren oder Pilze) besteht.

 

Stadieneinteilung des DNOAP anhand klinischer Symptome und Röntgenbefund

  • Stadium I: Der Fuß erscheint gerötet, ist überwärmt, geschwollen, Fußpulse sind zu tasten und auf den Röntgenbildern liegen bisher keine ossären (knöchernen) Veränderungen vor.
  • Stadium II: Typisch sind beginnende Knochen- und Gelenkveränderungen, Osteoporose (Knochenentkalkung) und vereinzelte Frakturen in der Fußwurzel- und Mittelfußregion. Infolge der bestehenden Polyneuropathie geben Betroffene keine Schmerzen an.
  • Stadium III: Aufgrund von vielzähligen schmerzfreien Frakturen mit Gelenkzerstörungen entwickelt sich ein Plattfuß (Pes planus, s. Abb.1), im Endstadium ein sogenannter Wiegen- oder Schaukelfuß mit plantarer konvexer Deformierung.
  • Stadium IV: Läsionen an der Fußsohle bis zu tiefen Ulzera (Geschwüre) und nach Amputationen in verschiedenen Regionen (s. Abb. 2)

 

Diagnostik

Bei der Erhebung der Anamnese sollte ein Trauma ausgeschlossen werden. Nach Inspektion und Palpation unter Verwendung von Hilfsmitteln (s.o.) zur Erfassung des Ausmaßes einer Polyneuropathie und einer Angiopathie per Pulsmessung, Ratschow-Lagerungsprobe, Dopplersonografie, Duplexsonografie, Angiografie (röntgenologische Darstellung der Gefäße nach Injektion eines Kontrastmittels) oder Magnetresonanzangiografie schließen sich serologische Untersuchungen an wie eine Bestimmung des Blutzuckers, des HbA1c zur Ermittlung der Stoffwechsellage und von Entzündungsparametern.

Zu den bildgebenden diagnostischen Verfahren zählen Röntgen zur Beurteilung der ossären Strukturen und die Magnetresonanztomografie, um gleichzeitig Schädigungen der Weichteile und der Knochen zu erfassen.

 

Ziele der Therapie

  • Optimale Blutzuckereinstellung
  • Vermeidung von Wundheilungsstörungen
  • Förderung der Compliance der Betroffenen
  • Reduktion einer immer noch zu hohen Amputationsrate

 

Konservative Therapie

Eine große Rolle spielt die Aufklärung der Betroffenen, dass eine längere Entlastung des Fußes in der akuten Phase - trotz Schmerzfreiheit - zwingend notwendig ist. Oftmals beträgt der Zeitraum der Entlastung des Fußes in einer Zwei-Schalen-Orthese, gegebenenfalls Gipsschalen, an zwei Unterarmgehstützen oder im Rollstuhl 4-6 Monate, in Einzelfällen sogar länger. Die Entlastung erfolgt bis zum Abklingen der klinischen Symptome, Normalisierung der diabetesspezifischen Laborwerte sowie Konsolidierung des Befundes im Röntgenbild. Zur Förderung der Durchblutung kommen Medikamente, häusliche Fußmassagen, häusliche Fußgymnastik und Fußbäder bei intakter Haut mit einer Wassertemperatur von 36 bis maximal 38 Grad und einer Dauer von 3 bis maximal 5 Minuten in Betracht. Die Verwendung von Pflegeprodukten mit Ureazusatz sollten täglich angewendet werden.

 

Hautpflege

Für die Basispflege bietet sich GEHWOL med Lipidro Creme an. Für die Creme mit 10% Urea, Glycerin, Allantoin und mineralstoffreichem Algenextrakt in einer ausbalancierten Hydrolipid- Formulierung wurden beachtliche, diabetesspezifische Vorteile nachgewiesen. Neben zunehmender Hydratisierung und Barriereleistung ermöglicht die Creme auch eine signifikante Steigerung der Mikrozirkulation der Haut. Eine geringe Hautdurchblutung gehört zu den häufigsten diabetestypischen Ursachen trockener Haut.

 

Orthopädieschuhtechnische Versorgung

Nach Abklingen der akuten Phase ist eine optimale orthopädieschuhtechnische Versorgung notwendig. Vor und nach der Verordnung ist eine dynamische Pedografie (Druckmessung an der Fußsohle mittels computergestützter Messverfahren) ratsam, um Druckspitzen an der Fußsohle zu erfassen und mit orthopädieschuhtechnischen Hilfsmitteln abzubauen bzw. umzuverteilen (s. Abb. 3a-b). Diabetesadaptierte Fußbettungen in gefertigten Schichten mit verschiedenen Shorhärten garantieren eine Druckumverteilung (s. Abb. 4). Ferner kommen Schuhzurichtungen an Konfektionsschuhen oder orthopädischen Maßschuhen infrage. Letztlich sind bei wiederholten Wundheilungsstörungen, ausgeprägten Ulzera oder schweren Fußdeformitäten orthopädische Maßschuhe wie Verbandschuhe, Vorfußentlastungsschuhe, Halbschuhe, Stiefel, Badeschuhe oder Diabetesschutzschuhe indiziert.

 

Operative Therapie

Zu unterscheiden sind Minor- von Majoramputationen. Bei einer Minoramputation erfolgt das Absetzen der betroffenen gangränösen Region unterhalb des Sprunggelenks im Gegensatz zur Majoramputation oberhalb des Sprunggelenks.

 

Prophylaxe und Förderung der Compliance des Betroffenen

Eine wichtige Rolle spielt der konsequente Selbstschutz der Betroffenen durch Förderung der Compliance. Dazu gehören ständige Blutzuckerkontrollen, regelmäßige Einnahme verordneter Medikamente sowie Insulininjektionen und tägliche Bewegung dem Alter entsprechend. Tipps vom Fußprofi und podologische Behandlungen sollten regelmäßig erfolgen. Bei der häuslichen Pflege der Füße sind Nagelkürzungen mit einer Sandblattfeile durchzuführen. Hyperkeratose ist mit einem Bimsstein zu entfernen. Dafür sind spitze Instrumente wegen Verletzungsgefahr oder Heizquellen bei kalten Füßen bei einer Polyneuropathie ohne Schmerzempfinden wegen der Verbrennungsgefahr absolut tabu.

Pflegeprodukte mit Ureazusatz und ohne Duftstoffe sind zur täglichen Pflege notwendig. Jeden Abend sind die Fußsohlen mit einem Spiegel, ggf. durch eine Hilfsperson, auf Läsionen anzusehen. Schuhe werden stets abends auf Fremdpartikel ausgetastet. Notwendig sind Baumwollsocken oder Diabetikersocken ohne drückende Innennähte, die bei 60 Grad gewaschen werden müssen. Wegen der Gefahr einer Pilzinfektion sind in Schwimmbädern und Saunen Badeschuhe und in Hotels Schuhe zu tragen. Barfußlaufen ist wegen der Verletzungsgefahr abzulehnen. Konfektionsschuhe ohne drückende Innennähte und stabiler Laufsohle oder orthopädische Maßschuhe sollten aus atmungsaktivem Leder bestehen. Beim Kauf von Konfektionsschuhen mit integrierter diabetesadaptierter Fußbettung ist zu beachten, dass zwischen längster Zehe und Schuhvorderrand eine Distanz von 0,8 bis 1 Zentimeter besteht. So lassen sich Druckschäden an den Zehen vermeiden. Die Absatzhöhe für Frauen sollte 4 Zentimeter und für Männer 3 Zentimeter nicht überschreiten. Ferner ist auf eine Abpolsterung der Schuhlasche zu achten.

Des Weiteren sind im gesamten Therapiekonzept die Einhaltung notwendiger Arztkonsultationen, bei orthopädieschuhtechnischen Problemen eine Konsultation beim Orthopädieschuhmacher und vor allem die regelmäßige Teilnahme an Schulungen wichtig.

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Abb. 1a: Plattfuß bei Charcotfuß

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Abb. 1b: Ulzera in der Fußsohle

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Abb. 2: Diabetischer Charcotfuß mit Zehenamputationen und Ulzera

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Abb. 3: Druckbelastung vor (links) und nach (rechts) orthopädie-schuh- technischer Versorgung mittels diabetesadaptierter Fußbettungen u. Schuhzurichtungen

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Abb. 4: Diabetesadaptierte Fußbettung mit orthopädischem Maßstiefel für einen diabetischen Charcotfuß

Unsere Autorin

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Dr. med. Renate Wolansky
Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Naumburg